Herr Stubbs, in Brasilien heißt es, der Erfolg der Olympischen Spiele definiert sich nicht nur über den Sport, sondern vor allem über die Nachhaltigkeit. Wie erklären Sie sich diese Haltung?
Kurzfristig geht es natürlich um Sport und Medaillen. Aber wenn die Spiele vorbei sind, verblasst der Event schnell in den Köpfen der Menschen und alles geht wieder seinen normalen Gang. Waren die Spiele nachhaltig, verändert sich etwas im Alltag. Wenn sich nichts geändert hat, fragen sich die Leute: Warum haben wir das gemacht?
OLYMPIA KANN AUCH EIN BUMERANG SEIN?
Lassen Sie es mich so sagen: Man braucht Mut zur Vision. Das ist der Schlüssel! Jede Stadt hat heute den Anspruch, sich in eine „Stadt der Zukunft“ zu verwandeln. Sollte man diesen Prozess mit Olympischen und Paralympischen Spielen starten? Wahrscheinlich nicht. Aber die Spiele sind ein großartiger Katalysator, um geplante Projekte voranzutreiben. Ein gutes Beispiel dafür ist London: Wir haben das Entwicklungsgebiet East London in sieben Jahren so sehr vorangebracht, wie es ohne Olympia wohl 30 Jahre gedauert hätte. Und die positiven Effekte sind auch gegenwärtig spürbar.

Zur Person
David Stubbs, 57, war von 2003 bis 2012 Leiter der Abteilung Nachhaltigkeit im Organisationskomitee der Olympischen und Paralympischen Spiele von London. Heute ist der Brite unabhängiger Nachhaltigkeitsexperte und berät unter anderem das Internationale Olympische Komitee, die Europäische Fußball-Union sowie das Weltwirtschaftsforum in Fragen der Nachhaltigkeit.
FÜR WAS KÖNNEN DIE SPIELE EIN KATALYSATOR SEIN?
Bei richtiger Planung können neue, lebenswerte Stadtteile entstehen, die bleiben. Die Infrastruktur kann ausgebaut werden, sodass zuvor abgelegene Gegenden plötzlich ans Zentrum angeschlossen sind. Neue Möglichkeiten können entstehen und Arbeit bringen. Gemeinschaften kommen zusammen. Olympia kann dem Gemeinwohl ungemein helfen.
WIE ZUVOR SCHON IN MÜNCHEN 1972 ODER IN BARCELONA 1992?
Ja – und das in einer Zeit, in der das Konzept der Nachhaltigkeit noch gar nicht so prominent genutzt worden ist. Trotzdem haben beide Städte enorm von den Spielen profitiert, vor allem durch die Aufwertung von Stadtteilen und neuer Infrastruktur. Noch heute wirken diese Spiele nach – und das ist ja auch der Sinn der Sache. Um Nachhaltigkeit explizit geht es übrigens erst seit Sydney 2000. Seitdem ist das Thema fest im Bewerbungsprozess des IOC verankert.