Langsam hebt sich die Platte aus dem Bauzylinder empor. Erste Konturen von acht knapp 15 Zentimeter hohen Objekten erscheinen. „Das sind Leitschaufeln“, sagt Christoph Hauck, Geschäftsführer der MBFZ Toolcraft GmbH aus Georgensgmünd. Sie kommen im Energiebereich oder in der Luftfahrt zum Einsatz. Das Besondere an diesen Exemplaren: Sie wurden nicht gegossen, sondern gedruckt. Eine der Laserschmelzmaschinen hat mehrere Stunden lang graues Pulver Schicht für Schicht aufeinander aufgetragen. Zwischendurch hat ein Laserstrahl die Schichten der Nickellegierung verschmolzen.
Die neue Technik begeistert Hauck. Doch für ihn und seine rund 380 Mitarbeiter fängt die Arbeit nach dem automatischen Druckverfahren, auch Additive Manufacturing (AM) genannt, erst richtig an. Denn nun müssen die Stützstrukturen entfernt werden: kleine Türmchen unterhalb der Bauteile, die den Objekten beim Druck Halt geben und Wärme abführen. Sie verhindern, dass überhängende Bereiche zusammenfallen. So wichtig sie beim Druck sind, so überflüssig sind sie danach. Einen Teil der lästigen Arbeit übernehmen CNC-Bearbeitungszentren. In anderen Fällen müssen Mitarbeiter noch mit Zange und Feile ran.
Hauck ärgert sich über diese Friemelarbeit. Sie bedeutet Verzögerung und kostet Geld. „Hier muss noch einiges an Entwicklungsarbeit geschehen“, sagt er. Seine Hoffnung ist, dass schon bald durch Optimierung der Parameter die Zahl der Stützstrukturen drastisch reduziert werden kann oder Roboter die Arbeit übernehmen könnten. Auch ein Ablösen in Flüssigkeiten kann er sich vorstellen.
Bis Haucks Wünsche in Erfüllung gehen, könnte es allerdings noch eine Weile dauern. Noch immer steckt der 3D-Druck zwischen digitaler Hightechproduktion und Liebhaberhandwerk fest. Noch immer fallen private Bastleranlagen in Wohnhausgaragen genauso unter die Technologie wie millionenschwere Produktionslinien nach Industrie-4.0-Standards. Und noch immer helfen sich Hersteller mit selbst entwickelten Prozessrichtlinien und Qualitätsprüfungen über fehlende Standards, Erfahrungswerte und Zertifizierungen hinweg.
Revolution im Wartestand
Im Falle von Haucks Stützstrukturen könnte eventuell ein Zertifikat Abhilfe schaffen, das nicht nur den Druckprozess bis zum fertigen Rohteil abbildet, sondern auch die Nachbearbeitung. „Bislang konzentrieren sich die Maschinenhersteller vor allem auf bessere Laser und Schichtverfahren und vernachlässigen die Nachbearbeitung“, erklärt Hauck. „Bei Zertifizierungen und Standards steht der 3D-Druck noch ganz am Anfang.“
Mehr als drei Jahrzehnte nach seiner Geburt befindet sich der 3D-Druck wie jede aufstrebende Technologie am Scheideweg. So wie sich die ersten Automobile gegen Pferdekutschen durchsetzen mussten und Glühbirnen gegen Gasbeleuchtung antraten, muss sich jetzt der 3D-Druck gegen etablierte Verfahren wie Drehen, Fräsen oder Gießen beweisen. Die Frage ist, ob er mithilfe von Zertifizierungen und Prüfrichtlinien zum neuen Standard aufsteigt und klassische Techniken verdrängt – oder im Nischendasein für Spezialprodukte verharrt.
Das Potenzial der Technik ist gewaltig. Noch vor vier Jahren betrug der geschätzte Umsatz des Segments weltweit 2,6 Milliarden Euro. 2020 sollen es gemäß einer Prognose der Beratungsgesellschaft Deloitte schon 17,5 Milliarden Euro sein. Die größten Wachstumspotenziale schlummern dabei laut einer Studie der Beratungsgesellschaft PwC in der Luft- und Raumfahrtindustrie, der Medizintechnik und der Automobilbranche. Auch der Einzelhandel erhofft sich durch individualisierte Produkte Zuwächse.

Die Zahl der Einsatzmöglichkeiten und Materialien steigt seit Jahren. Gleichzeitig verschieben sich die Ziele der Auftraggeber. Bislang kam 3D-Druck vor allem beim Bau von Prototypen oder Ersatzteilen zum Einsatz. Dort lohnte sich die Verwendung, weil die Teile sonst aufwendig und oft manuell produziert werden mussten. „Derzeit entkommt die additive Fertigung diesem Prototypenstadium immer mehr und wird auch für die Serienproduktion interessant“, verdeutlicht Gregor Reischle, Head of Additive Manufacturing bei TÜV SÜD, der als verantwortlicher Innovationsmanager seit circa einem Jahr das Kompetenzfeld AM aufbaut. Die Vorteile sprechen für sich: geschonte Ressourcen, verschlankte Produktionsprozesse, schnelle Verfügbarkeit.
Der entscheidende Schritt zur Serienfertigung stellt Hersteller und Lieferanten jedoch noch immer vor riesige Herausforderungen. Um die hohen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen ihrer Kunden auch in Zukunft halten zu können, müssten Standards für Materialien, Produktionsprozesse und Endprodukte definiert werden. „Es bräuchte vereinheitlichte Lehrpläne für die neu entstehenden Berufsbilder. Definitionen für Produktionsbedingungen, Qualitätsstandards für das Rohmaterial und Prüfungen unter Alltagsbedingungen wären genauso wichtig“, sagt Reischle.