Wie etwa beim Akkuschrauber, einer Innovation der NASA?
Das ist ein Paradebeispiel. Alles, was in einer Rakete mit nach oben gebracht wird, sollte nicht zu schwer sein. Das alles kostet viel Geld. Eine Steckdose gibt es auch nicht. Die Lösung für Reparaturarbeiten war der Akkuschrauber. Dass er später auch auf der Erde diesen Erfolg haben würde, wusste man aber nicht.
Dabei ist die Idee recht einfach.
So wie bei den meisten gelungenen Transfers. Nehmen Sie die Raumsonden, die dafür entwickelt wurden, um auf dem Mars oder dem Saturnmond Titan zu landen. Das ist ein komplexer Bereich, die Sonden haben eine sehr eigene Form. Wie der Potato Chip auch. Sonden und Kartoffelchip sollen beim Eintritt in die Atmosphäre beziehungsweise beim Befüllen der Tüte heil bleiben. Ein Unternehmen wollte das Befüllungstempo in die Tüten beschleunigen, doch es kamen keine Chips raus, sondern nur Brösel. Also wurde das Wissen und die Software recycelt, mit der man berechnet, wie die Raumkapseln in die Atmosphäre eintreten. Das Befüllungstempo der Tüten konnte um 50 Prozent gesteigert werden – die Chips blieben heil.
Sie sind Leiter des Bereichs Technologietransfer der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), sorgen also für den Transfer des Weltraumwissens auf die Erde. Sind Sie die größte Recyclingmaschine der Welt?
Wir sind die buntesten, die Aliens der ESA. Wir arbeiten ja mit der raumfahrtfernen Industrie zusammen. Ich finde, alle Unternehmen brauchen eine Alienabteilung. Eine, die auch wachrüttelt und unbequem ist.
Warum?
Es ist wichtig, alte Denkmuster aufzubrechen. Wir müssen uns über eines im Klaren sein: Die Evolution, auch in der Geschäftswelt, ist brutal. In der Mechanik lernt man: Ein neues System erzeugt Reibung. Im Umkehrschluss heißt das: Wenn Sie etwas Neues machen und es entsteht keine Reibung, machen Sie etwas falsch.
Was ist die Lösung?
Wir selbst sind oft das größte Hindernis für Innovation. Ingenieure, Wissenschaftler und Forscher entwickeln manchmal einen Tunnelblick, der vielleicht auch mit den Anforderungen unserer schnelllebigen Gesellschaft zu tun hat. Dabei muss man einfach Dinge auch einmal ändern, und zum Beispiel Leute nach zehn Jahren in eine andere Disziplin versetzen, um neue Reize zu schaffen. Die Firma, die das macht, muss sich über ihre Zukunft keine Sorgen machen. Das Unternehmen, welches das nicht macht, versperrt sich neuen Einflüssen und wird schnell von der Realität eingeholt.
Ist diese Denkweise des interdisziplinären Transfers vielleicht die wichtigste Innovation Ihrer Abteilung?
Ich finde: ja. Es ist wichtig, sich zu fragen: Wie mache ich aus einer Innovation drei Erfolge, drei Produkte? Wir sind heutzutage so sehr auf Effizienz getrimmt: Warum also nicht auch in der Adaptierung von Raumfahrttechnologie?
Wer stellt diese Überlegungen an? Gehen Sie auf die Unternehmen zu? Oder andersherum?
Sowohl als auch. Um kleinere Firmen und Start-ups für Transferprojekte zu gewinnen, organisieren wir Wettbewerbe oder nehmen an Gründerevents teil. Wir haben in den meisten Ländern auch Mittelsleute, die sich um den Technologietransfer kümmern. Sie sind unser erweiterter Vertriebskanal. Sie versuchen, in der Industrie und in Instituten herauszufinden, was gebraucht wird. Wir gleichen die größten Probleme ab und fragen: Was lässt Sie nachts nicht schlafen?